Spiele - die wir niemals vergessen werden!

Text: Rainer Zimmermann - Fotos: Christian Mittelbach, Volker Nagraszus, Imago, Fansoccer

Eines der ruhmreichsten Kapitel in der sowieso schon langen Erfolgsstory des FCR 2001 Duisburg ist die gleich dreifache Teilnahme an der Champions League beziehungsweise dem UEFA Women's Cup in der Zeit zwischen 2008 und 2011. im Vordergrund stehen dabei natürlich die überragenden sportlichen Erfolge mit zwei Teilnahmen am Halbfinale, dem grandiosen Titelgewinn im Mai 2009 und insgesamt einer Bilanz von 22 Siegen, vier Unentschieden und lediglich zwei Niederlagen - beide leider gegen die (zu) starke deutsche Konkurrenz aus Potsdam. Doch ebenso unvergesslich werden allen Teilnehmern die außergewöhnlichen Erlebnisse auf den Reisen durch halb Europa bleiben - vor allem auch deshalb, weil es gleich viermal in den tiefsten Osten unseres schönen Erdteils ging. Aber der Reihe nach!

UEFA Women's Cup

In der Saison 2008/2009 hatte sich der FCR durch den Gewinn der deutschen Vizemeisterschaft für die Teilnahme am UEFA Women's Cup qualifiziert - musste aber deshalb zunächst eine Gruppenphase erfolgreich absolvieren. Und die fand Mitte Oktober in der Ukraine statt. Der Flug ging über Österreich nach Lemberg und von dort mit dem Bus in die südlich gelegene Provinzhauptstadt Ivano-Frankiwsk. Die Reise dorthin und die Woche vor Ort werden den Löwinnen ebenso wie viele andere Erlebnisse in diesen knapp drei Jahren der Europatournee sicherlich ein Leben lang in Erinnerung bleiben.

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Schließlich hatte sich die Ukraine gerade von den sozialistischen Fesseln befreit und so herrschte überall echte Goldgräberstimmung. Die Menschen erhofften sich schlicht ein besseres Leben nach demokratischen und marktwirtschaftlichen Regeln. Dass dieser Systemwandel auch heute immer noch auf tönernen Füßen steht, konnten wir damals alle nicht ahnen. Uns tut es auch leid für die vielen freundlichen Menschen, die wir kennen gelernt haben und die so voller Hoffnung waren.

Die sportlichen Hoffnungen der Löwinnen dagegen wurden komplett Realität. Ohne große internationale Erfahrung angereist - zumindest als Vereinsteam - spielte der FCR in allen drei Begegnungen geradezu beängstigend dominant und gewann 5:1 gegen die Gastgeberinnen vom WFC Naftokhimik, gar 5:0 gegen Levante aus Spanien und 4:1 gegen die stärker eingeschätzten Däninnen vom Bröndby IF.

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Nach diesem fulminanten Durchmarsch war auch Erfolgstrainerin Martina Voss in bester Feierlaune: angeführt von Käpt'n Inka Grings und Linda Bresonik wurde die Reise in die Süd-Ukraine mit einer zünftigen Sause in einem gemütlichen Café-Haus abgerundet. Die feiertechnischen und musikalischen Auftritte der Löwinnen sollen dabei ebenso überzeugend gewesen sein wie die sportlichem zuvor.

Natürlich wurde schon auf dem Rückflug über die nächsten Aufgaben gesprochen und die Fußballgötter entschieden dann prompt so, wie es Duisburgs Spielerinnen und Fans eigentlich nicht haben wollten: nächster Gegner war der 1. FFC Frankfurt, der deutsche Meister und Cup-Verteidiger! Doch die Löwinnen ließen sich überhaupt nicht einschüchtern, gingen mit breiter Brust in das Hinspiel am Brentanobad beim haushohen Favoriten und gewannen souverän und völlig verdient mit 3:1, Respekt!

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Diese Leistung konnte der FCR auch bis zum Rückspiel konservieren und gewann vor mehr als 3000 begeisterten Fans im Homberger Stadion mit 2:0. Dieser sportliche Vortrag war so überlegen, dass eine logistische Meisterleistung fast mehr in den Vordergrund rückte als der überzeugende Erfolg: um im Stadion die für eine TV-Liveübertragung erforderliche Lux-Stärke zu erreichen, half das Technische Hilfswerk mit riesigen Lichtballons aus, die sonst nur in Katastrophenfällen zum Einsatz kommen!

Aber auch dieser Coup zeigt, wie fokussiert Mannschaft, Betreuer und das gesamte organisatorische Umfeld waren: Die Woche in der Ukraine hatte eine verschworene Gemeinschaft geformt und der ungefährdete Erfolg gegen den Erzrivalen, die vermeintliche Übermannschaft aus Frankfurt, setzten derart Kräfte frei, dass man plötzlich auch vor der Millionärstruppe von Olympique Lyon keine Angst mehr hatte. Nach diesem Hammerlos gab Cheftrainerin Voss flugs eine wirklich pfiffige Devise aus: besser gegen diese damals als unbesiegbar betrachtete Legionärstruppe in zwei Spielen antreten als nur einen Matchball in einem möglichen Finale haben.

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Also reiste der Duisburger Tross durchaus zuversichtlich in die wunderschöne Stadt an der Rhone - obwohl man mit einem fundamentalen Problem zu kämpfen hatte: beide Torhüterinnen, Christina Bellinghoven und Kathrin Längert, sind nicht zu 100 Prozent fit - und so zieht Martina Voss, diese mit allen Finessen des Trainergeschäftes vertraute Ober-Löwin, tatsächlich ein Ass aus dem Ärmel, über das noch heute die Fachwelt mit Hochachtung spricht: Schon zu Saisonbeginn hatte man die schweizerische Nationaltorfrau Kathrin Lehmann vorsorglich bei der UEFA angemeldet - und jetzt wurde dieser Tausendsassa über Nacht nach Lyon eingeflogen. Und was brachte diese Meisterleistung? Lehmann wurde in diesem denkwürdigen Spiel vor mehr als 10.000 Zuschauern ein entscheidender Faktor, weil die 29-jährige mit einer Wahnsinnsparade ihr Team am Leben hielt und somit ein weiteres Ausrufezeichen im Rahmen der couragierten Leistung der gesamten Mannschaft setze. 1:1 endete dieses Hinspiel und die vor Selbstvertrauen strotzenden Löwinnen gewannen dann fast logisch das Rückspiel locker und verdient mit 3:1 - Endspiel! Und das im ersten Jahr der Teilnahme an diesem prestigeträchtigen Wettbewerb!

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Da das Finale damals zum letzten mal in zwei Spielen ausgetragen wurde, ging es für den FCR erneut auf eine dieser unvergesslichen Reisen: Gegner Perm (übrigens russische Partnerstadt von Duisburg) trug sein Hinspiel im sibirischen Kazan aus - einer Stadt, die mit einem einmaligen Weltkulturerbe aufwartet: einem Nachbau des Kreml, dessen Faszination schon allein alle Reisestrapazen lohnt.

Sportlich war eigentlich von vornherein klar, dass diese Aufgabe lösbar ist - erstmals ging Duisburg also als Favorit in eine Ko-Runde. Dass am Ende ein zunächst umkämpftes (das 1:0 fiel erst in der 42. Minute), dann souveränes 6:0 heraussprang, konnte allerdings selbst der größte Fan in seinen kühnsten Träumen nicht erwarten; dreimal traf übrigens die Torjägerin und spätere Cheftrainerin Inka Grings. Dass die anschließende Fete in der Megadisco des Hotels mühelos mit der Ukraine-Party mithalten konnte, bedarf wohl keiner weiteren Erwägung.

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Das Rückspiel war dann sportlich natürlich wenig ergiebig, die Fairness verlangt es allerdings, dass man den unbändigen Kampfgeist der Russinnen erwähnt, die unbedingt ein respektables Ergebnis erreichen wollten - und das mit einem gerechten 1:1 auch locker schafften.

Sporthistorie schrieb der Tag aus zwei Gründen: Zum einen schaffte es der FCR mit überragenden 28.112 Zuschauern für eine ausverkaufte MSV-Arena zu sorgen und sich zudem als letzter Sieger des UEFA Women's Cup in die Geschichtsbücher einzutragen.

Zu unseren Bildern (zum Vergrößern bitte anklicken):
Das erste Spiel international gegen WFC Naftokhimik (Ukraine) am 10. Oktober 2008 gewinnt der Euro-Neuling leicht mit 5:1 Toren. Auf unserem Bild freuen sich (vl) Annemieke Kiesel, Jennifer Oster, Inka Grings und Anne van Bonn mit Hasret Kayikci, die gerade das 5:0 erzielt hat.
Auch der spanische Meister UD Levante hat gegen die blendend aufgelegten Spielerinnen von Martina Voss nicht die Spur einer Chance, hier zeigt Inka Grings ihre Zweikampfstärke. Das Spiel am 12. Oktober 2008 endet gnädig, 5:0 für den FCR 2001 Duisburg.
Das letzte Spiel gegen Brøndby IF (Dänemark) am 14. Oktober 2008 ist mit 4:1 letztendlich auch eine klare Sache. Auf unserem Bild tankt sich Abwehr-Ass Annike Krahn durch, ein gutes Beispiel dafür, dass der Kopenhagener Vorort-Klub der mit Abstand schwerste Gruppengegner war.
Locker mit 3:1 fiedelt Duisburg im Viertelfinale Titelverteidiger FFC Frankfurt schon auf deren Geläuf weg (6. November 2008), im Rückspiel kommt noch ein knackiges 2:0 hinzu. Unser Schnappschuss vom Stadion m Brentanobad zeigt eine mehr verträumte Spielszene mit Evergreen Jennifer Oster.
Das Halbfinal-Hinspiel am 28. März 2009 bei Olympique Lyon (Frankreich) ist eine Regenschlacht vom Feinsten (1:1). Auf unserem Bild grätscht Marina Hegering vorbildlich gegen ihre Gegnerin, das Rückspiel holen sich die Löwinnen „trocken“ und souverän mit 3:1 Toren.
Finale mit Hin- und Rückspiel! Nachdem der FCR bei Zwezda 2005 Perm (Russland) bereits 6:0 gewonnen hat, gibt es am 22. 5. 2009 in der MSV-Arena ein 1:1 – hier erzielt Daryna Apanaschenko die Gäste-Führung (26.), Annike Krahn gleicht kurz vor dem Pausentee aus (45 + 1').


UEFA Women's Champions League

Die beiden nächsten Teilnahmen (jetzt an der „neuen“ Women's Champions League) sind auch aller Ehren wert, weil sowohl 2009/2010 als auch 2010/2011 das Halbfinale erreicht wurde. Leider scheiterten die Duisburgerinnen wie erwähnt dort gleich zweimal an der Turbine aus Potsdam. Dabei war das Aus in der Saison 2009/10 besonders bitter; denn nach einem völlig verdienten 1:0 zu Hause, hätte die Duisburger „Torfabrik“ eigentlich nur ein Tor schießen müssen, um recht sicher wieder im Finale zu sein. Gleich drei Treffer traute man den Potsdamerinnen gegen die mit Nationalspielerinnen geradezu gespickte Gästeelf denn doch nicht zu. Diese Prognose erwies sich auch als total realistisch - nur leider gelang dem FCR selbst in 120 Minuten kein einziges Tor, und so stand es auch im zweiten Spiel 1:0 für die Gastgeberinnen, die dann das Elfmeterschießen für sich entschieden - echt schade. Im Jahr darauf war das Semifinale ähnlich eng, aber nach dem 2:2 zu Hause reiste man schon mit deutlich weniger Optimismus in die brandenburgische Hauptstadt. Auch diesmal gelang kein Treffer, und so schied man diesmal verdient mit 2:2 und 0:1 aus.

Nachhaltig in Erinnerung bleiben aber auch diese zwei Spielzeiten besonders wegen zweier Reisen - selbstverständlich wieder in den Osten: denn gleich in der ersten Spielrunde 2009/2010 schickte das Los den FCR nach Wizebsk in Weißrussland - welch Gegensatz gegenüber dem aufatmenden und hoffnungsvollen ukrainischen Volk! In diesem letzten Vasallen-Staat aus sowjetrussischer Hegemoniezeit fühlte man sich an die DDR erinnert: überall Polizei und Militär, überall graue Häuserzeilen und dazu „Geschäfte“, in denen man mehr oder weniger nichts kaufen konnte. Das alles braucht heute kein vernünftig denkender Mensch mehr, oder?

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Das Spiel war dann eine Fingerübung, 5:1 gewannen die Gäste aus Deutschland und auch das Rückspiel verlief standesgemäß: 6:3. Für mehr Gesprächsstoff sorgte da ein Ereignis zwischen diesen Begegnungen: die Duisburger Rekord-Nationalspielerin und Erfolgstrainern heiratete und hieß von nun an Martina Voss-Tecklenburg.

Die nächsten zwei Runden verliefen deutlich knapper, obwohl das Weiterkommen jeweils verdient war: gegen die Schwedinnen aus Linköpping gab es bei eisigem Schneetreiben ein 1:1 im Hinspiel und einen schwer erkämpften 2:0-Sieg zu Hause. Das bemerkenswerteste am Viertelfinale gegen Arsenal (Hinspiel 2:1 in einem very old-Vorort-Stadion von London - eigentlich nicht die feine englische Art) war das Re-Match in der RWO-Arena zu Oberhausen: die Wetterkapriolen beim 2:0 unterschieden sich nämlich nur marginal vom legendären 1:0 der Männer-Nationalelf im WM-Halbfinale gegen Polen 1974.

Nach dem Ausscheiden gegen Potsdam mussten die Löwinnen 2010/11 wieder in der Gruppenphase starten - diesmal in Nordirland. Auch hier war sich der gesamte Tross erneut einig: eine wunderschöne Woche in attraktiver Landschaft nahe Belfast mit „standesgemäßen“ Ergebnissen: 3:0 gegen Bratislava, 6:1 gegen die Gastgeberinnen mit dem blumigen Namen Crusaders Newtownabbey Strikers und 4:0 gegen den 1. FC aus Glasgow.

Bevor im Achtelfinale die Mädels von Fortuna Hjörring aus Dänemark (4:2/3:0) besiegt wurden und man sich auch gegen Everton mit 3:1 und 2:1 durchsetzte (fünf Euro für's Phrasenschwein: Liverpool ist immer eine Reise wert!), war das touristische Highlight dieser Serie zweifellos der 10.000 Kilometer-Trip nach Almaty (Kasachan) und zurück - ein gigantisches Abenteuer: kurz hinter der Hauptstadt Astana und dem vorgelagerten, protzigen Präsidentenpalast endet sozusagen die Welt: wir fahren stundenlang durch eine schier endlose Wüsten- und Steppenlandschaft, uns begegnen Kameltreiber und Nomaden - man denkt an Karl May oder Dschingis Khan, aber nicht ans Fußballspielen.

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Endlich in der Provinzstadt angekommen, passt die Planung der überaus freundlichen Hotelbetreiber irgendwie ins Bild; denn diese Herrschaften hatten ganz selbstverständlich geplant, die Leitung der FCR-Delegation im prunkvollen Haupthaus unter zu bringen, die Spielerinnen aber in einem ungeheizten, jugendherbergsähnlichen Nebentrakt. Es lebe der Sozialismus!

Denkt man heute an diese aufregenden, lehrreichen und sportlich so erfolgreichen Jahre zurück, wird einem schon ein bisschen wehmütig ums Herz, wenn man damit die augenblickliche Situation vergleicht: die Löwinnen, die zu Zebras ,mutierten' (Danke an den MSV!), kämpfen heroisch um den Klassenerhalt. Und zwar beispielhaft und lobenswert, aber die Zeiten der Dominanz in der Liga und bei den spektakulären CL-Auftritten werden wohl so schnell nicht wiederkommen.

Egal: Ich werde den Mädels immer die Treue halten - und die Erinnerungen an drei legendäre Europa-Jahre kann uns allen sowieso niemand nehmen; danke Löwinnen!

Zu unseren Bildern (zum Vergrößern bitte anklicken):
Im dritten Europa-Jahr ist im Viertelfinale Everton LFC (England) ein äußerst harter Brocken. Der 2:1-Heimerfolg am 23. März 2011 ist eine prima Teamleistung, auch Offensivtalent Mandy Islacker liefert eine überdurchschnittliche Leistung ab.
Noch ist nichts verloren, als der FCR 2001 Duisburg im Halbfinal-Hinspiel am 9. April 2011 gegen Turbine Potsdam 2:2 gespielt hat (Szene mit Kraftpaket Linda Bresonik). Doch wie schon im Jahr zuvor ist nach dem Rückspiel im Karl-Liebknecht-Stadion Schicht im Schacht.

Rainer Zimmermann, der Autor dieses Beitrags, war von 2008 bis Sommer 2016 Medienbeauftragter des FCR 2001 Duisburg und der MSV Duisburg-Frauenabteilung.


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