1970? Mit Brustpanzer, Schutzhand und Jugendball!

Text: Ferdi Seidelt – Fotos: dpa/picture-alliance, ullstein-bild

Was Sport-Journalist Hans Günter Martin Anfang September 1970 in der Rheinischen Post zu Papier brachte, liest sich heute wie Comedy und Satire zugleich:

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„Die bislang ganz und gar von Männern beherrschte Fußball-Landschaft zwischen Hamburg und München hat aufgehört, unantastbares Hoheitsgebiet des starken Geschlechts zu sein. Vereinzelt zwar noch wie beim überraschenden Schlag einer Partisanengruppe, aber doch schon unübersehbar macht eine Erscheinung auf sich aufmerksam, die vielen altgedienten Funktionären das Haar zu Berge stehen und die Vereinsvorstände zwischen die Mahlsteine von Statuten und Neigungen geraten lässt: Frauen-Fußball.“

Selbstverständlich schlug sich die Entwicklung des Frauenfußballs in Deutschland auch in den Beschlüssen des DFB-Bundestags nieder. So lehnten Präsident Peter Joseph Bauwens und Co. 1955 in Berlin die Förderung des „Damenfußballs“ noch einstimmig ab, um diese Entscheidung am 31. Oktober 1970 in Travemünde wieder aufzuheben.

Da es hauptsächlich die Kommunen waren, die in den 50er und 60er Jahren ihre Stadien für Frauen-Länderspiele zur Verfügung stellten, wandten sich die DFB-Offiziellen direkt an die Sportämter der Städteverwaltungen und sogar an den Deutschen Städtetag. Ihre Forderung: ein generelles Frauenfußballverbot. Falls sie Frauenfußball duldeten, drohte der DFB den Gemeinden damit, künftig keine großen Fußballereignisse der Männer in den betreffenden Kommunen zu veranstalten.

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Anders ausgedrückt: 15 Jahre lang hatte der Deutsche Fußball-Bund den Frauen das Fußballspielen verboten, aus „grundsätzlichen Erwägungen und ästhetischen Gründen“, wie es im Verbandsbeschluss hieß. Doch 1970 in Travemünde beugten sich die DFB-Funktionäre schließlich dem Druck der damals rund 50.000 „illegalen“ Fußballerinnen!

Nur drei Jahre später verständigte sich der Bundestag in Frankfurt am Main auf die Einführung einer Deutschen Meisterschaft im „Damenfußball“ von 1973/1974 an und beschloss am 28. Oktober 1989 in Trier die Einführung einer zweigleisigen „Damen-Bundesliga“ ab 1990/1991.

Am 21. Oktober 1995 änderte der Bundestag in Düsseldorf schließlich die DFB-Satzung und Ordnungen dahingehend, dass das Wort „Damen“ durch „Frauen“ zu ersetzen sei. Folgerichtig heißt die 1997 gestartete eingleisige höchste Spielklasse Frauen-Bundesliga.

Zurück zu den Geschehnissen im für den Frauenfußball so wichtigen Jahr 1970. Bayern München zum Beispiel nahm entgegen der Vorgaben Frauen auf und stellte Trainer zur Verfügung. Bad Neuenahr gar vertrat Deutschland bei einer inoffiziellen WM in Italien. Schalke 04 ließ am 5. September 1970 vor seinem Heimspiel in der Glückauf-Kampfbahn gegen Hertha BSC keck die Frauen von Rot-Weiß Resser Mark gegen ihre Rivalinnen aus dem Kreis Recklinghausen kicken. Diese Partie war für nicht wenige der 32.000 Zuschauer kaum mehr als eine Jux-Vorlage für ironische Kommentare, „mann“ wartete auf den wahren Fußball.

Was die Frauen in den 50er und 60er Jahren zuerst einmal im Schilde führten: Sie wollten ernst genommen und anerkannt werden, sie wollten nicht mehr „heimlich“ kicken müssen. Doch auch die generelle Akzeptanz 1970 hatte ihre Grenzen: Geplant wurde der Frauen-Kick mit leichten Jugendbällen, ein Brustpanzer sollte den Oberkörper schützen. Diskutiert wurde die „Schutzhand“ als probates Mittel, um den auf bestimmte Körperpartien zufliegenden Ball keinen größeren Schaden anrichten zu lassen. Und da ja Frau nur Frau ist, bitte keine Stollenschuhe und das Ganze nur 2 x 30 Minuten.

1970 schoss „Sportstudio“-Moderator Wim Thoelke einen ganz besonderen Macho-Bock. Weiland schrieb der „Spiegel“: Knapp 90 Sekunden. Und schon hatte sich Wim Thoelke um Kopf und Kragen geredet. „Und da sind dann auch endlich die Damen Fußballerinnen“, kommentierte der Moderator des „Aktuellen Sportstudios“ am 28. März 1970 die Zusammenfassung eines Spiels deutscher Fußballfrauen. „Da hat Mutter eine wunderbare Flanke nach halblinks gegeben“, lobte Thoelke einen gelungenen Pass. „Laufen, Erna. Aber die Erna ist nicht flink genug“, meckerte er, als eine Spielerin den Ball nicht schnell genug eroberte. Nach einer Landung im Matsch tönte der Sportreporter: „Die brauchen sich doch gar nicht aufzuregen, die Zuschauer, die Frauen waschen doch ihre Trikots selber.“ Auch mit praktischen Ratschlägen geizte der Moderator nicht: „Decken, decken! Nicht Tisch decken! Richtig, Mann decken! So ist's recht!“ Den Beitrag sehen Sie hier

Im Bereich Rhein-Ruhr verfügte zu dieser Zeit Preußen Duisburg bereits über eine Fußballabteilung für Frauen, 1970 gründete beim Kaßlerfelder Ballsportclub Duisburg Vereinswirtin Paula Schmitz eine Frauenfußball-Abteilung. An dieser Stelle indes wird alleinig der Mädchen- und Frauenfußball im FC Rumeln-Kaldenhausen, später FCR Duisburg, und der FCR 2001 Duisburg, mithin die Zeit von 1977 bis Ende 2013, Thema sein.

Zu unseren Bildern (zum Vergrößern bitte anklicken): Aus der unendlichen Flut von Sportaufnahmen der 70er Jahre dokumentieren wir das Pro und Kontra der damaligen Zeit zum Frauenfußball mit zwei Zweikämpfen: Entweder wird der damalige „Damenfußball“ in Form einer angemessenen Zweikampfszene belobigt oder er wird bewusst mit Haare-ziehendem Zicken-Alarm verhohnepiepelt.


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